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Geweberichtlinie erntet Kopfschütteln


Sanne

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Geweberichtlinie erntet Kopfschütteln

 

 

Mit einer höchst eigenwillig geplanten Umsetzung der Geweberichtlinie der Europäischen Union zieht die Bundesregierung breiten Unmut auf sich. Herzklappen und ähnliche Gewebe sollen künftig nämlich Arzneimittel sein. Da staunt der Laie. Ärzte, Kassen und Eurotransplant staunen nicht mehr, sondern schimpfen kräftig.

 

Professor Roland Hetzer ist stolz auf sein Sudhaus. Direkt neben dem Virchow-Klinikum in Berlin, in einem Gebäude, wo früher einmal Bier gebraut wurde, bunkert der bekannte Herzchirurg mehr als tausend menschliche Herzklappen bei eisigen Temperaturen in einem so genannten Homograftlabor. Die Klappen stammen von Organspendern, deren Herzen aus unterschiedlichen Gründen nicht für eine Transplantation in Frage kamen. Und sie stammen von Patienten, die selbst ein Herztransplantat erhalten haben, deren alte Herzklappen aber noch intakt waren. Nicht nur Hetzer ist zufrieden mit seiner Sammlung. Auch die in den Niederlanden ansässige Organisation Bio Implant Service (BIS) begrüßt das Berliner Engagement. Denn Hetzer verwendet seine Klappen nicht nur im Deutschen Herzzentrum Berlin, sondern stellt sie auch international zur Verfügung, wenn Kliniken dringend eine passende Klappe suchen.

 

Die Bundespolitik will die Klappe zur Pille machen

Die Organisation BIS ist eine Tochter von Eurotransplant, jener Organisation also, die europaweit für die Vergabe von Spenderorganen zuständig ist. Ganz analog ist BIS für die europaweite Verteilung von Transplantatgeweben zuständig. Außer Herzklappen sind das zum Beispiel auch Hornhäute der Augen oder Knochen. "Ähnlich wie bei den kompletten Organen profitiert Deutschland von diesem System überdurchschnittlich", erläuterte BIS-Chef Dr. Guigo Persijn auf einer Veranstaltung des DHZB in Berlin. Persijn, früher selbst Chef von Eurotransplant, kann das für das Herz mit Zahlen belegen: "Im Jahr 2005 sind insgesamt 167 menschliche Herzklappen aus europäischen Ländern nach Deutschland geliefert worden. Nur zehn wurden aus Deutschland in andere Länder geschickt."

 

Wenn es nach der Bundesregierung geht, könnten selbst diese mickrigen zehn demnächst wegfallen. Diese Gefahr bestehe, wenn die Geweberichtlinie der Europäischen Union in der Form umgesetzt werde, wie es die Bundesregierung derzeit plane, so Hetzer. Ziel der Richtlinie ist es, den bisher weitgehend ungeregelten Umgang mit menschlichen Geweben zu regulieren. Dagegen hat auch niemand etwas. Doch Deutschland will die Sache nun so angehen, dass Gewebetransplantate rechtlich nicht wie Transplantate, sondern wie Arzneimittel behandelt werden. "Das ist eindeutig ein deutscher Sonderweg, für den die EU-Richtlinie keinerlei Begründung liefert", echauffiert sich der Berliner Rechtsanwalt Dr. Klaus Goecke.

 

Kassen und Ärzte lehnen das Vorhaben in seltener Einmütigkeit ab

Die Folgen einer Einstufung als Arzneimittel für Kliniken, die Gewebetransplantate entnehmen, seien erheblich, so Goecke. Denn laut Arzneimittelrecht müsse jedes Haus, das zum Beispiel Herzklappen entnehme, eine Herstellungserlaubnis haben. Diese verlangt räumliche und organisatorische Veränderungen, die für Kliniken nach einer Hochrechnung der Krankenkassen im Mittel mit 400.000 Euro zu Buche schlagen würden. Kliniken wie das DHZB, die die Klappen nicht nur entnehmen, sondern auch noch an andere Häuser weitergeben wollen, bräuchten dafür außerdem eine arzneimittelrechtliche Zulassung, die unter anderem an exorbitante Haftpflichtversicherungen gekoppelt ist. "Das könnten wir nicht stemmen", betont Hetzer. Die Folge: Zentren wie das DHZB würden ihre Klappen nur noch für den Eigenbedarf einsetzen. Non profit-Organisationen wie das BIS schauten in die Röhre. Selbst wenn für das BIS eine Ausnahme gemacht würde, entstünde durch die Einstufung eines Gewebes als Arzneimittel ein Markt, der den Status quo grundlegend verändern würde. Denn plötzlich könnte mit Herzklappen und anderen menschlichen Organteilen Geld verdient werden.

 

Hetzer sieht in diesem Zusammenhang die Gefahr, dass profitorientierte Einrichtungen ein eigentlich als Kompletttransplantat geeignetes Herz lieber in Einzelteile zerlegen, weil sie diese verkaufen können, anders als das gesamte Organ, das weiterhin als Transplantat eingestuft und rechtlich anders behandelt wird. Auch die Bundesärztekammer hat sich bereits in diesem Sinne geäußert und lehnt den Entwurf genauso ab wie die Krankenkassen, die eine Kostenexplosion fürchten. Was den Gegnern des Entwurfs vorschwebt ist ein Mittelweg, bei dem unveränderte Gewebe wie etwa Herzklappen rechtlich so behandelt werden wie Transplantate, wohingegen technisch veränderte Gewebe zu Produkten im Sinne des Arzneimittelrechts würden.

 

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bearbeitet von Sanne
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Erster Schritt:

Liberalisierung

(ein Wandlungsprozeß um etwas zu Geld zu machen, bzw. um nach der Umwandlung daran gewaltig zu verdienen).

 

Zweiter Schritt:

zumutbare Eigenbeteiligung höher definieren

(ein Vorgang, der den Liberalen vom Herzen kommt und meint, die Eigenverantwortung zu stärken)

 

Dritter Schritt:

Verknappung

 

Sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt.

Michael

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Hallo,

 

so etwas macht sprachlos und es schwillt einem der Hals - wir bewegen uns in Deutschland - speziell seit dieser unsäglichen Konstellation der großen Koalition - immer weiter weg vom einstmals angedachtem Ideal der sozialen Marktwirtschaft.

 

Übersättigte Volksvertreter die ihr ethisches, moralisches und soziales Gewissen abgelegt haben regieren Deutschland zur Zeit nach Gutsherrenart. Nicht das es schon vorher schlimm war aber dadurch, das es zur Zeit keinen Widerstand im Bundestag gibt kann jetzt alles abgenickt werden.

 

Wenn ich nicht Betablocker nehmen würde hätte ich sicherlich einne Puls von 150.

 

Nun alles weitere würde hier zu weit führen - aber man sollte doch ernsthaft überlegen wie man mehr Öffentlichkeit schafft um die Bürger ein wenig wachzurütteln BEVOR es auch sie betreffen könnte.

MfG

Thomas Wagner

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