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Mein Weg


drehwurm

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Ich möchte euch meine Geschichte erzählen. Warum kann ich nicht sagen, es ist keine schöne Geschichte.

 

Es fing im Anfang November 2001 an, ich war damals 24. Ich hatte so etwas wie eine Grippe, hauptsächlich hohes Fieber und Erbrechen. Nach zwei Tagen bin ich zu meiner Hausärztin gegangen, die mir erstmal ein homäopatisches Grippemittel verschrieben hat. Das hat nicht geholfen. Hab mich dann mehrere Tage bei meiner damaligen Freundin (Anke) einquartiert und nur gekotzt. Da es nicht besser wurde, ging ich zum Hausarzt meiner Schwester, da dieser in der Nähe war.

Der Arzt hat mir Blut abgenommen und mir ein Antibiotikum verschrieben. Wie ich hinterher erfahren habe, hat dieses Medikament ein sehr breites Spektrum gehabt, nur half es leider gar nicht gegen eine Endokarditis.

Also wieder bei meiner Freundin einige Tage rumgekotzt.

Der Arzt hatte inzwischen meine Blutwerte, hat sich aber nicht gemeldet, da er angeblich meine Telefonnummer nicht hatte. Ich hab da aber auch nicht angerufen, da ich dachte, ich hätte eine Grippe und ich bin auch immer gesund gewesen, also keine bekannte Herzprobleme.

Inzwischen waren über zwei Wochen rum und ich war völlig am Ende. Daher bin ich zu meinen Eltern. Die haben mich aufs Sofa gepackt, mir Hühnersuppe gekocht und getan, was sie konnten.

Meine Mutter hat dann irgendwann, ich glaub nach zwei Tagen oder so, ihren Hausarzt angerufen, der dann auch einen Hausbesuch gemacht hat. Er hat mich dann abgehört und sofort ins Krankenhaus überwiesen. Das war am 24.11.

Da hat man dann vestgstellt, dass ich eine Mitralklappenendokarditis hatte. Sofort intensive Antibiotikagabe.

Trotzdem ging es mit mir weiter immer schlechter, das Fieber war immer noch hoch und ich war kaum noch anwesend.

Am 28.11 bekam ich einen Embolus in meiner rechten Wade, im Krankenhaus wurde mir gesagt, das seien Krämpfe und die haben mir kalte Wadenwickel verabreicht.

Zwei Tage später haben die dann doch mal eine dopplersonografische Untersuchung gemacht und vestgestellt, was wirklich los ist, jedoch nichts unternommen.

Wie meine Schwester mir hinterher erzählt hat, hab ich zu dieser Zeit sogar gestunken, und zwar nicht nach Schweiß, sondern nach Krankheit und ein wenig nach Verwesung.

Abends um 20 Uhr kam dann der Arzt zu mir ins Zimmer und hat mir gesagt, dass die Embolie ein Stück Herzklappe war und ich jetzt in ein anderes Krankenhaus gefahren werde und dort sofort eine neue Klappe bekomme.

Also ab in den Krankenwagen, in die nächste Stadt und direkt in den OP-Vorbereitungsraum.

Mein Glück war wohl, dass ich nach Krefeld kam, und die haben dort eine spitzen Herzklinik. Das sind echte Halbgötter, die da arbeiten. 100 von 100 möglichen Punkten!

Lange wurde nicht gewartet. Ich wurde schnell nochmal geröngt, ein Gefäßchirurg hat noch mal mein Bein inspieziert ("Da kann man nix mehr machen, das hätte man direkt operieren müssen") und dann ab in den OP. Das war gegen 0 Uhr.

Die OP verlief gut, hab eine neue Klappe (St. Jude Doppelflügel) bekommen und war am nächsten Morgen schon um 9 Uhr wach, was alle dann doch sehr überrasch hat. Hab mir dann erstmal einen Kaffee und ein Telefon bestellt, beides bekommen und hab meine Mutter angerufen. Man hatte meinen Eltern gesagt, ich würde wohl mindestens bis in den späten Nachmittag bewußtlos bleiben, sie bräuchten auch erst dann vorbeizukommen und nur, wenn etwas passiert, hätte das Krankenhaus sich bei meinen Eltern gemeldet.

Hätte meine Mutter fast das Leben gekostet, als Morgens um neun das Telefon klingelt. Na ja, die Freude war natürlich riesig, dass alles gut gegangen war.

Das Aufwachen war sowieso ein tolles Gefühl, nach fast einem Monat hohen Fiebers und ständigem Kotzen, hab ich gefühlt, dass ich wieder gesund war, konnte wieder denken, da mein Gehirn wieder Sauerstoff bekam, kurz, ich war wieder da.

Klar tat mir der Brustkob weh, ich konnte mich kaum bewegen, aber ich merkte, wie es jede Minute besser wurde, wie ich gesund wurde.

Nach drei Tagen Intensivstation, kam ich auf Station in ein Luxuszimmer, ich hatte noch nicht mal in irgendeinem Hotel ein schöneres Zimmer bewohnt, große Fenster mit einem tollen Blick über Krefeld, alles neu und ein sehr motiviertes Pflegepersonal.

Über die Herzklinik kann ich nur Gutes sagen.

Es ging dann auch erstaunlich schnell aufwärts mit mir, das Fieber war weg, die Mobilisierung ging trotz den Schmerzen schnell voran und nach zehn Tagen konnte ich schon 20 Treppenstufen hoch und wieder runter (ja, natürlich nur sehr langsam).

Alles super, bis auf ein Drücken in der Magengegend. Also ab zum CT, Kontrastmittel (schlucken, spritzen und, na ihr wisst schon) und ne halbe Stunde später war klar, ich hatte einen Milzinfarkt, das Drecksding war schon zu 80% abgestorben, war auf gut 21 cm angeschwollen (normal ist 10-11) und musste raus.

Also wurde ich wieder verlegt, zwar die selbe Klinik, aber anderes Gebäude, und wieder Not-OP. Das war am 13.12.

Danach ging es mir auch nicht mehr gut, bei der OP haben die fast meinen kompletten Bauchmuskel durchtrennt, damit die Milz beim Entfernen nicht platzt.

Der Milzinfarkt ist übrigens auch wegen einem Stück Herzklappe geschehen. Das heißt ich hatte zweimal unglaubliches Glück, dass der Embolus "nur" in meine Wade und der ander nur in die Milz gewandert ist.

Die Mobilisierung gestaltete sich dann auch sehr schmerzhaft, da ja nun Brustkorb und die Bauchmuskeln wehtaten.

Die Station in der ich nun lag, war das Gegenteil der Kardiologie. Alles runtergekommen und schlechtes Personal und unfreundliche Ärzte. Die haben mir bis zur Entlassung kaum Nahrung gestattet, dafür aber Medikamente verschrieben (z.B. ein Medikament zur Behandlung von Geschwüren im Zwölffingerdarm!?!), die ich nicht brauchte.

Kurz und knapp wurde ich dann Heiligabend entlassen (mit 57 Kilo, bei 1,86m, normal 70 Kilo) und hab erstmal zwei Tage nur gefuttert, als ob es keinMorgen gibt.

Zwei Tage später hat Anke mich dann verlassen, da sie sich in der Zeit, in der ich im Krankenhaus lag, einen Anderen gesucht hat, da sie ja so einsam war. Ha, ha.

Immerhin waren wir 3 1/2 jahre zusammen gewesen, entsprechend ging es mir.

Nicht nur die Herzklappe/Milzinfarkt/Embolie, sondern auch noch dreckig betrogen.

Danach lief nichts mehr, hab mich gehen lassen, das Studium schleifen lassen und hab mich in den letzten Jahren immer mehr zurückgezogen. Ich hab zwar meine Freunde, mit denen ich viel unternehme, aber ich habe bei kaum noch etwas wirklich Spaß, alles ist mir egal.

Inzwischen hab ich auch schon die Nachteile einer Markumarisierung kennegelernt, da ich schon zwei mal im Krankenhaus war, wegen irgendeinem Kleinscheiß.

Halt fand ich bei meinem Nachbarn, der vor drei Jahren neben mir einzog. Er wurde mein bester Freund, ein Bruder gar, kaum ein Tag, den wir nicht zusammen verbrachten, wir unternahmen alles zusammen und ich hatte immer einen zum Reden.

Zudem fand ich vor einem Jahr meine große Liebe,Anna, eine Frau, der ich nach all dem wieder Vertrauen konnte.

Das war seit meiner KlappenOP das schönste Jahr.

Aber es kam, wie es kommen musste, mein Nachbar, fast mein Bruder und Anna sind jetzt seit einer Woche zusammen und ich steh von Gestern auf Heute wieder alleine da.

Mir geht es gerade noch weitaus schlechter, als damals, nach meiner OP. Nicht nur Pech mit der Klappe hatte ich, die Menschen, die ich beide so sehr geliebt hatte, haben mich eiskalt betrogen, belogen und im Stich gelassen.

 

 

So, das ist meine Geschichte.

Wie es weitergeht? Ich habe jetzt einen Platz bei einer Traumatherapie und hoffe, dass ich zumindestens irgendwie wieder klar komme. Ich hoffe es, ich bin nämlich gerne glücklich.

 

Ach ja, wie Andere es auch beschreiben, hab ich auch "seltsame" Erlebnisse, wie Migräneartige Sehstörungen, Heulkrämpfe, Kribbel in den Händen, Schmerzen im Brustkob, irgendwelche Schatten, die im Augenwinkel vorbeihuschen, Einschlafprobleme und so weiter.

Oft mein ich auch irgendwo aus dem Augenwinkel eine Katze sitzen zu sehen, wenn ich aber genau hinschaue ist das nur ein Rucksack oder ein Handtuch. Klingt ein wenig nach Hallozinationen und das macht mir Angst, das klingt so verrückt.

 

 

dann macht es mal gut, würd mich über Kommentare freuen...

Matthias, 28 Jahre, Student.

 

 

Nach der OP ist vor der OP.

Life is hard, then ya die.

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Hallo Matthias!

Erst einmal "Herz"lich willkommen hier im Forum, schön dass du uns gefunden hast! :lol:

 

Ich muss dir recht geben, schön ist deine Geschichte wirklich nicht. Zu allem körperlichen dann auch noch diesen seelischen Schmerz ertragen zu müssen ist für mich wohl kaum nachvollziehbar. Ich habs gelesen und ich war einfach nur fassungslos :)

 

Trotzdem find ichs prima, dass du deine Geschichte niedergeschrieben hast, in Anbetracht auf deine bevorstehende Therapie sicher auch sehr wichtig damit nach aussen zu gehen!!

 

Mit fremden Menschen über seine Krankheit oder auch über Probleme zu kommunizieren ist (nach meiner eigenen Erfahrung) um ein vielfaches leichter als mit Bekannten oder Freunden, vor allem auch mit dem Aspekt, dass wir hier ja doch meist alle "betroffene" sind, also operiert, und damit deine Situation auch sicher besser nachvollziehen und verstehen können.

 

Ich wünsche dir alles erdenklich Gute für die Zukunft und für deine Therapie.

 

Schau hier oft und gern rein und schreib dir alles von der Seele, und du wirst merken du bist nicht allein.

 

LG Birgit

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Hallo Matthias,

 

erst einmal herzlich willkommen in diesem Forum. :lol:

 

Mensch, das ist ja wirklich ´ne totale Horrorgeschichte, die dir da passiert ist. Und dann auch noch die privaten, menschlichen Enttäuschungen! Dazu kann ich nur sagen, Beziehungen gehen nun mal auseinander, aber den Zeitpunkt und die Art wie das in deinem Fall geschehen ist, finde ich schon hart und ich bin schier fassungslos!

Du wirst ganz bestimmt über die Enttäuschungen hinwegkommen. Es dauert zwar einige Zeit, aber du schaffst das :). Ich drücke dir auch für deine Therapie ganz fest die Daumen.

 

 

Ich wünsche dir alles erdenklich Gute.

 

Gruß, Claudia

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Hallo Matthias!

Auch von mir erstmal ein ganz herzliches Willkommen!

Deine "Geschichte" ist wirklich äußerst deprimierend und traurig. Und ich weiß, im Moment können dir Worte wie "du lebst, das ist ein ganz besonderes Geschenk" und "irgendwie geht alles weiter" wahrscheinlich nicht weiterhelfen und klingen für dich wie der blanke Hohn!

Obwohl ich erst 26 bin hab ich auch schon ne Menge miterlebt. Aber durch jedes Erlebnis wurde ich auch zusätzlich gestärkt. (das ist mir allerdings erst später so richtig bewusst geworden!) Das wir die OP überlebt haben ist ein Geschenk (Darklady hat es mal so schön formuliert, deswegen übernehme ich es jetzt so!) und das sollte man sich auch stets bewusst machen!

Nach meiner OP hat sich meine allerbeste Freundin (das dachte ich zumindest!), die ich schon aus dem Kindergarten kannte (, dann Grundschule, gemeinsames Abi!) niiiiie wieder gemeldet und sich am Telefon verleugnen lassen. Wieso? Ich weiß es bis heute nicht, aber ich weiß, dass ich neben den postoperativen Problemen auch noch mit dieser Enttäuschung leben musste. (irgendwann, 1 1/2 Jahre später, kam dann mal ein relativ nichtssagender Brief....aber....)

Aber auch diese Enttäuschung habe ich bewältigt und sogar etwas für mich daraus gezogen. Ich will damit sagen, dass es immer wieder im Leben Enttäuschungen geben wird, die einen völlig überrumpeln und zunächst vielleicht auch schwächen. Aber... sie dürfen einen nicht "umhauen". Und da muss ein jeder selbst seine eigene Stärke nutzen (und die hast du, denn du hast schon viel durchgestanden!)...

Und vor allem darf man die vermeintlich kleinen erfreulichen Sachen im Leben nicht kaputtreden, sondern man muss sie wahrnehmen, jeden Tag aufs Neue! (CARPE DIEM!)

 

Ich denke, dass der erste Schritt, deinen "Weg" niederzuschreiben genau der Richtige ist und die begleitende Therapie ist dann der zweite richtige Weg!

 

Und wenn du dich hier im Forum mal umschaust, wirst du sehen, dass es ganz vielen ähnlich wie dir geht (ging). Zum Beispiel mit den Sehstörungen, etc. ...(hab ich im übrigen auch!)

 

Also, wünsche dir ganz viel Kraft!

 

Liebe Grüße

Svenja

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O o, das ist wirklich hammerhart.

 

Also ich hab keine OP (bin Angehörige), aber vielleicht macht es dir grad dann besonders Mut und Zuversicht zu wissen, dass ich auch diese Schatten und Katzen kenne, und das übrige auch durch habe.

Hab auch schon mit anderen gesprochen, die sowas auch kennen ("Gesunden"), mach dir darum keinen Kopf. Für deine Therapie und auch natürlich für ein freudigeres Leben drücke ich dir die Daumen, alles Liebe!

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Hallo Drehwurm

 

Allein dieser Name sagt schon wie Du Dich fühlst.

 

Ich sage mir wenn ich in einer ähnlichen Situation bin " Diese Zeit hätte man schon vor zwei Jahren im Kalender streichen sollen." Ich muss ehrlich sagen ,ich habe einige Augenblicke daran gedacht ob Du uns hier nicht einen vom Pferd erzählst. Habe das aber verworfen weil Du dieses mit erheblichen Aufwand zu "Papier gebracht hast.

 

Nun entschuldige das ich einfach etwas kaltschnäuzig sage Pflege nicht Deine Negativerfahrungen sondern kämpfe und sehe nach vorne -Mit den Problemen von gestern und eventuellen Sorgen von morgen kriegst Du den heutigen Tag nicht gebacken.

 

Besorge Dir das Buch "Sorge Dich nicht Lebe " Von Dale Carnige (Scherz Verlag )Lese es nicht,sondern SAUGE es auf mache Dir Notizen über alles was Dich betrifft auf der zeiten Deckelseite z.B Seite 23 Abs.3 es wird Dir Kraft geben und neuen Lebensmut. Nur am Rand es ist das zweitmeist verkaufte Buch nach der Biebel und hat damit überhaupt nichts zutun.

 

Ich wünsche Dir alles gute ,melde Dich wieder.

 

Gruss

Siegfried

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Hallo mal wieder.

Erst mal ein danke, für die schnellen Reaktionen, da fühlt man sich schon nicht mehr ganz so alleine.

Hab mich aber wieder etwas gefangen und hab angefangen, meine Küche zu renovieren.

Immer Kopf hoch, immer weiter!

 

Bis später denn

 

Matthias

 

PS:

 

Siegfried: [ich muss ehrlich sagen ,ich habe einige Augenblicke daran gedacht ob Du uns hier nicht einen vom Pferd erzählst. Habe das aber verworfen weil Du dieses mit erheblichen Aufwand zu "Papier gebracht hast.]

Ja, das kenn ich, ich kann mir das ja selber kaum glauben, was da alles passiert ist.

Aber zum Glück ticke ich ja, da kann ich mir sicher sein, dass das alles keine einbildung war B)

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Hallo Matthias,

 

in Teilen erinnert mich dein Bericht an meine eigenen Erfahrungen - zumindest die medizinische Seite, der ganzen Geschichte. Menschliche Enttäuschungen sind das Risiko des Lebens und wer nicht wagt, der auch nicht gewinnt. Mir hatte man damals von der Firma gekündigt - ich könnte meinen Bürpjob ja nicht mher machen. Den Brief erhielt ich als "Willkommensgruß" zur Reha .............

 

Ich finde Du hast bereits bewiesen, welceh innere Stärke Du hast und wirst somit auch diese Enttäuschung meistern. Gerade in Verbindung mit der angestrebten Therapie kommst Du wieder auf die Beine.

 

Ich wünsche Dir gutes gelingen und daß Du das Forum hie rberiechern kannst.

 

Lieben Gruss

 

Sven

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