Kaputte Erinnerungen

[jan123]

Hallo zusammen, 

 

Ende Februar bin ich operiert worden (Aortenprothese und biologische Herzklappe).

 

Ich habe regelmäßig Phasen mit kaputten Erinnerungen. Man muss sich das so vorstellen: Es gibt einen Kontext, z.B. bin ich an einem Ort oder erlebe etwas, was die Erinnerung auslöst. Das spüre ich, aber die Erinnerung kommt nicht oder nur völlig unkenntlich verschwommen.

 

Man kann sich das vorstellen wie bei einer Festplatte. Das Inhaltsverzeichnis funktioniert,  aber die Datei kann nicht geladen werden, da sie beschädigt ist oder nicht entschlüsselt werden kann.

 

Etwas beunruhigend ist, dass es  immer häufiger auftritt, mittlerweile etwa alle paar Tage. Erstmals habe ich das vor vielleicht 2 Monaten wahrgenommen. 

 

Geht es jemandem ähnlich?

 

[Shirley]

Hallo Jan 

der Körper macht durch die OP auch eine ganze Menge mit.Einiges nehmen wir im Unterbewustsein trotzdem war oder wir können uns ,wie du so schön sagst ,nicht mehr erinnern.

Man fragt sich zum Beispiel wie bin ich eigentlich vom OP Tisch ins Bett gekommen? Das kann so ein Moment nach der Herz OP sein wo man oberflächlich wach wird.

Und ja es kann auch während der OP vorkommen, meist beim Auf-oder Zumachen vom Thorax. Nicht wach wie ihr es versteht. Der Anästhesist sieht z.B. das der Blutdruck hochgeht. Manchmal haben die Patienten Schluckauf , selten auch eine kurze Bewegung. Durch die Medikamente wirst du dich im Leben nicht daran erinnern ,aber dein Körper hat es erlebt und gefühlt. Evtl. hat das auch mit späteren unerklärlichen Panikattacken zu tun.

Lg Shirley

[MajaD]

Habe mal einen Vortrag gehört von 

Ganzheitliche Individualdiagnostik
Narbenstörung & NBSA®
Dr. med. Sonja Reitz
 

War SEHR spannend, was sie so alles erzählte, vor allem im Hinblick auf Traumata nach OP´s. Sie riet dazu, wenn nach OPs unerklärliche oder früher nicht vorhandene Störungen auftreten (körperlich und seelisch), diese behandeln zu lassen, da sie auf Dauer neue Beschwerden und ein gestörtes Lebensgefühl hinterlassen können.

[KeinPlan]

Hi Jan,

 

bei mir gibt es ein noch verrückteres Phänomen: Ich kann mich an den Tag vor der OP nicht mehr erinnern. Die Ärztin, die mich aufgenommen hat, hat mir erzählt, dass ich mit meiner schweren Sepsis allein zum Wasserautomaten gegangen bin und sich alle darüber gewundert haben. Ich hab' die Frau nicht wiedererkannt.

 

Mir ist das echt unheimlich. Entweder war ich schon so weit weg (wäre innerhalb von ein paar Tagen gestorben) oder die Klinik, die mich zur Not-OP überwiesen hat, hat mich ohne Absprache schon unter "Drogen" gesetzt. Das nervt, denn ich hatte so keinerlei Vorgespräch oder ich hatte doch eines und kann mich an absolut nix mehr erinnern.

 

Einerseits bin ich enorm froh, dass die Narkose bei der OP so gut gewirkt hat und ich nicht mittendrin wach wurde. Andererseits bin ich wirklich im Nachhinein traumatisiert, weil mit mir Dinge gemacht wurden, von denen ich nichts weiß. Ich hatte z. B. nach der OP einen großen blauen Fleck an der rechten Brust und frag' mich, wie der entstanden ist.

 

Ich habe zwar keine "kaputten" Erinnerungen, aber immer wieder das seltsame Gefühl, dass mein Körper und insbesondere mein Herz mir fremd sind. Das fühlt sich sehr unangenehm an und ich könnte weinen, wenn ich das zulassen würde.

 

Lange Rede - kurzer Sinn: Ich geh' demnächst zum Psycho-Doc. Das hab' ich mir verdient. Vielleicht ist das auch eine Option für Dich ...

 

LG und schönes WE,

Petra

[Tobi82]

Hallo Jan,

 

nach meiner OP (Bio Ao Klappe) im Januar hatte ich auch mit Gedächtnisstörungen zu kämpfen.

Zum einen eine partielle retrograde Amnesie für die Wochen vor der OP, also konnte und kann ich mich letztlich nur sehr grob an die Wochen vor der OP erinnern.

Zum anderen hatte ich Störungen des Kurzzeitgedächtnis. So etwa bis Ende März musste ich mich sehr auf alles konzentrieren, um Sachen zu behalten. Sonst kam es durchaus vor, dass ich zum Beispiel fünf Minuten nach einem Gespräch zwar noch wusste, mit wem ich gesprochen habe, aber mich an den Inhalt nur verschwommen erinnern konnte. 
Mittlerweile habe ich diese Probleme zum Glück nicht mehr. 
 

Man darf nicht vergessen, dass die Herz-Lungen-Maschine für den Körper einen Minimalkreislauf darstellt (knapp an der Grenze zur Unterversorgung des Gehirns) und zudem ja auch ein gewisses Risiko für zum Beispiel Mikro(Hirn-)Infarkte während der Herz OP besteht. Gibt also viele Gründe für gewisse Störungen nachher.

 

Anbei zwei Links zum Thema, wobei einer auf allgemeine kognitive Defizite nach OPs eingeht (unabhängig von der Art der Op, solange eine Vollnarkose nötig ist), der andere als Presseartikel oberflächlich auf Risiken (fürs Hirn) nach Herz Op.

 

https://www.aerzteblatt.de/archiv/154793/Postoperative-kognitive-Dysfunktion
 

https://www.wetterauer-zeitung.de/wetterau/bad-nauheim-ort78877/herz-operation-nebenwirkungen-bad-nauheim-forschung-13833934.html

Mich wundert allerdings schon, dass das Problem, wie du es schilderst, bei dir ja eher zuzunehmen scheint. Vielleicht gehst du mal zum Neurologen und lässt ggfs ein MRT vom Kopf machen wenn es dir (verständlicherweise) Sorge bereitet.

 

Gruß,

 

Tobi

 

 

[Tobi82]

Hallo Petra,

 

ich denke auch, dass dir eine psychologische Begleitung angesichts des Erlebten und deiner Schilderung sicher sehr gut tun würde. Das kann ja letztlich auch den stärksten Menschen „aus der Bahn“ werfen bzw traumatisieren. 
 

Nur eine Anmerkung zum Hämatom an der rechten Brust (vermutlich meinst du ja ein flächiges Hämatom im Hautbereich ohne großartige Verhärtung sondern schlichtweg durch die Größe imponierend?), vielleicht mag es dich etwas beruhigen: Das muss beim besten Willen nichts besonderes bedeuten. Da muss ja letztlich nur ein kleines Hautgefäß verletzt werden (bei der doch recht rabiaten OP mit Auftrennung des Brustbeins, etc keinesfalls unwahrscheinlich) und schon kann es flächig in die Epidermis oder subdermal einbluten. 
Hämatome im Hautbereich nach Operationen sind letztlich eine typische „Komplikation“ einer jeden OP, die in der Regel schlimmer aussiehst als es ist.
 

Gruß,

 

Tobi

[KeinPlan]

Hi Tobi,

 

ja, so war es auch. Es war auch sehr schnell weg, gab mir aber einfach zu denken ... Die Wunden für die Schläuche machten Sinn, aber der große Bluterguß an der Brust eben nicht.

 

Dass es eine retograte Amnesie gibt, von der Jan schreibt, wusste ich bisher gar nicht. Verrückt, aber ein Grund mehr, sich hier auszutauschen.

 

VG, Petra

[jan123]

Vielen Dank für eure Antworten! Ich habe (noch) nicht vor deshalb zum Arzt zu gehen, aber danke schon mal für den Tipp mit dem MRT. Ich bin mir auch nicht sicher, ob es retrograte Amnesie ist. Vielleicht gibt es die Erinnerungen gar nicht oder es sind Dinge, die ich nur geträumt habe.

 

@KeinPlan: Das Gefühl, dass mein Körper mir fremd ist, hatte ich die ersten Wochen nach der OP auch, es ist mittlerweile erheblich besser geworden. Manches sehe ich auch positiv. Ich hatte seit vielen Jahren regelmäßig Kopfschmerzen, im letzten Jahr sehr intensiv, seit der OP gar nicht mehr.

[jan123]

Über ein Jahr nach der OP habe ich das Phänomen immer noch, oft begleitet von starkem  Ohrenrauschen. Es ist wie Erinnerungen an skurrile Träume und es löst bei mir ein Wohlbefinden aus, zugleich fühle ich mich auch an die Zeit der Reha zurückversetzt, die mein erstes positives Erlebnis nach der OP war.

 

Hätte es die OP als Ursache  nicht gegeben und wäre ich etwas spiritueller veranlagt, würde ich sagen, dass das Erinnerungen an ein früheres Leben sind.

 

Vermutlich ist mein Gehirn etwas kaputt gegangen.