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Mein Weg zur mechanischen Klappe


LightEmUp

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Hallo zusammen.

 

Nachdem ich nun fast ein Jahr stiller Mitleser bin möchte ich jetzt auch mal mei e Geschichte erzählen. Der Text wird etwas länger werden, aber er soll vielleicht einigen helfen, so wie mir das Lesen im Forum geholfen hat. 

 

Mein Name ist Christian, ich bin 33 Jahre und komme aus Südthüringen. Ich habe eine 3 Jahre alte Tochter und eine Frau mit der ich morgen 10 Jahre zusammen bin.

 

Bis letztes Jahr im Juli wusste ich nicht ansatzweise, wie schnell sich mein Leben schon bald verändern sollte.

Ich weis noch als wäre es heute das ich am 24.07. nach einem heißen Sommerwochenende plötzlich frühs auf der Arbeit Symptome, wie Herzrasen, Taubheit im linken Arm und starken Schwindel bekam. Ich dachte sofort an einen Herzinfarkt. Kurzerhand wurde ich ins örtliche Krankenhaus gebracht. Die Werte in der Notaufnahme waren 190/50 Blutdruck und fast 180 Puls. Sofort stand das Herz im Fokus. Ein Herzinfarkt wurde ausgeschlossen. Der 3. Arzt der mich abgehört hat, sagte mir dann, das sich mein Herz komisch anhört. Zusätzlich würde beim EKG ein AV Block Grad 1 und 2 Wenkebach festgestellt.

 

Am nächsten Tag Tag erfolgte ein Schluckecho und Angio CT. Diagnose Hochgradige Aortenklappeninsuffizienz. 50% des Blutes flossen wieder ins Herz zurück und die linke Herzhälfte war deswegen 150% vergrößert. EF50 und ein Anyeurisma von 50mm an der Aorta Ascendens. Ich wurde 3 Tage später entlassen mit dem Hinweis mich in eine Herzklinik zu begeben. Die Symptome wie Schwindel und Schläfenpochen waren weiterhin vorhanden. 

 

Ich entschied mich am nächsten Tag mit meiner Frau nach Bad Neustadt zu fahren und meldete mich dort in der Notaufnahme. Auf Grund der Diagnose bekam ich auch sofort ein Zimmer. Nach weiteren Untersuchungen stand fest das ich operiert werden müsste. Eine Rekonstruktion der Klappe wurde favorisiert. Deswegen sollte ich bei Prof. Dr. Urbanski operiert werden.

 

http://www.kardiochirurg.de/index.html

 

Als weitere Diagnosen wurde eine Hyperchloesterinämie und ein IMD von 1,2 an den Halsschlagadern festgestellt. Ein Zeichen von fast 20 Jahren als starker Raucher und ungesundem Essen.

 

Es beruhigte mich wirklich das ich von einem sehr erfahrenen Arzt operiert werden sollte. Dennoch konnte ich mich kaum auf die OP vorbereiten. Ich entdeckte dann dieses Forum und ich konnte mich dann zumindest ein bisschen vorbereiten. Es half mir auch die Angst etwas zu nehmen. Trotzdem machte ich mir unendlich viele Sorgen um meine Frau und mein Kind. Auch das Haus welches wir erst vor einem Jahr gekauft hatten.

 

Eine Woche nach der Einlieferung wurde ich am 04.08.2017 operiert. Geplant waren 3 Stunden. Auf Grund der LMAA Tablette war die Fahrt zur OP sehr entspannt.

 

Aus 3h OP wurden letztendlich 6h. Ich wachte mitten in der Nacht in der Intensivstation auf als ich noch den Beamtmungsschlauch im Mund hatte. Kein schönes Gefühl. Das nächste was ich hörte war ein Ticken und ich wusste es war etwas nicht geplantes passiert. Außerdem hatte einen unglaublichen Durst. Ich durfte aber nur wenig trinken und bekam nur solche feuchten Stäbe mit den man sich den Mund befeuchten kann. Die meiste Zeit schlief ich nur. Am nächsten Tag konnte mich schon meine Frau besuchen. Sie war auch schockiert über das Ticken, sagte mir dann aber das ich das schaffen werde.

 

Nach 2 Tagen konnte ich schon auf die Wachstation wechseln und konnte zum ersten Mal wieder was essen. Nach einer halben Schüssel Grießbrei fühlte ich mich aber so, als hätte ich einen Ausdauerlauf hinter mir. Außerdem bekam ich 2 Blutinfusionen, da ich wohl viel Blut verloren hatte. Ich musste an dem Tag auch zum ersten Mal aufstehen, was ganz gut funktionierte. Wenig später wurde ich dann wieder auf mein Zimmer in der Normal Station gebracht.

 

Am 3. Tag kam Prof. Urbanski zu mir ans Bett und erzählte mir was während der OP passiert war. Auf Grund einer starken Entzündung der Aorta musste eine mechanische Klappe mit Conduit eingesetzt werden. Zusätzlich wurde die Aorta Ascendens und der komplette Aortenbogen ersetzt. Außerdem ein Teil meiner Halsschlagader. Es sagte zu mir das ich ein paar Wochen später definitiv deutlich geringere Überlebenschancen gehabt hätte. Das hat natürlich gesessen und traf mich wie einen Hammer. Er riet mir dazu abklären zu lassen woher die Entzündung gekommen war. Auf Grund meiner Spondyl Arthritis die ich seit 10 Jahren habe sollte ich deshalb nach Jena in die Uniklinik. Hier bin ich ambulanter Patient. 7 Tage nach der OP wurde ich entlassen und fühlte mich einigermaßen gut.

 

Ein Wochenende konnte ich zu Hause verbringen. Dann ging es nach Jena.

Hier sollte ich die nächsten 3 Wochen liegen. Bei der Eingangsuntersuchung wurde ein CRP von 150 festgestellt und der Verdacht lag nah, das immer noch Gefäße entzündet waren. Ein Schock für mich. Ein PET brachte aber zum Glück die Diagnose das keine Gefäße mehr entzündet sind. Der CRP kam von einer Harnwegsentzündung.

 

In den nächsten Wochen wurden ich auf so ziemlich alle Krankheiten getestet die es gab. Doch erst der Bericht der Biopsie meiner Aorta gab Aufschluss über die Ursache der Entzündung. Diagnose Großgefäßvaskulitis. Besser gesagt Takayasu Arteriitis. Teile meiner Aorta waren laut Bericht abgestorben. Der Bericht merke außerdem an es etwa nur eine Hand voll solcher Fälle in Deutschland gibt, da die Krankheit bei Männern noch seltener ist als bei Frauen. Ich war total baff aber froh das ich nun endlich wusste was ich hatte. Ich bekam als Therapie sofort 60mg Cortison am Tag. Die Dosis wurde dann wöchentlich reduziert. Zusätzlich musste 15mg MTX pro Woche nehmen. Mittlerweile bin ich bei 5mg Cortison am Tag und 15mg MTX pro Woche. Meine Blutwerte verbessern sich stark und ich konnte endlich zur Reha nach Bad Kissingen.

 

Nach 3 wirklich tollen Wochen die mir sehr geholfen haben, konnte ich nach fast 9 Wochen zum ersten Mal wirklich zu Hause ankommen. Das war Ende September. Aufgrund meiner Schulung in der Reha konnte ich auch sofort mit dem Selbstmessen des INR anfangen.

 

Endlich zu Hause und bei meiner Familie zu sein war für mich das größte Glück. Es klingt komisch aber ich war davor noch nie so dankbar auf der Welt zu sein. Mein Blutdruck normalisierte sich nun auch und lag im Schnitt bei 130/70.

Da ich schon in der Reha das Kochen und die gesunde Ernährung für mich entdeckte, führte ich das auch zu Hause fort. Als Nichtraucher hatte ich nun ungeahnte Geschmackserlebnisse. Seit dem bin ich Chefkoch im Haus und koche allerlei gesunde Gerichte nach, die ich so im Internet finde. Ich blieb bis Ende des Jahres zu Hause und nutzte die Zeit zur Erholung. Auch meine Blurwerte verbesserten sich bis auf ein leicht erhöhten CRP (Grund meine Arthritis) auf Normalwerte. Selbst das Cholesterin liegt mit 20mg Atorvastatin beim LDL bei 70.

 

Im Februar wurde noch mal ein Angio CT und ein Herz Echo in Bad Neustadt zur Nachkontrolle gemacht. Beide Untersuchen zeigten das meine Klappe dicht war und die Gefäße waren auch OK. Was bleibt sind die Tabletten die ich nun ein Leben lang nehmen muss. Damit komme ich aber klar.

 

Seit Anfang des Jahres arbeite ich wieder Vollzeit.
Auch in meiner Firma wurde mir viel Mitgefühl zu Teil. Alle waren froh mich wieder zu sehen. Das waren wirklich tolle Momente für mich.

 

Es gab auch viele traurige Momente für mich. Oft machte ich mir Sorgen um die Zukunft oder warum es gerade mich getroffen hat. Ich mach mir auch heute noch Sorgen, vorallem wenn ich mal wieder einen Tag mit etwas mehr Blutdruck oder mal wieder Schwindel habe. Die Leichtigkeit des Seins, die ich vor der OP hatte ist weg. Aber sie ist durch Dankbarkeit ersetzt worden. Dankbarkeit das ich lebe, das ich jeden Tag meine Tochter und meine Frau sehen darf. Ich bin jeden Morgen gut gelaunt. Ich lache wieder mehr. Und das tollste ich darf diese Zeilen hier bei 30 Grad am Strand von Kos in Griechenland schreiben.

 

Da ich keine Wahl hatte mir meine Klappe heraus zu suchen, bin ich mit der Entscheidung der Ärzte zufrieden und würde auch immer wieder eine mechanische Klappe nehmen. Das Ticken gehört nun zu mir. Ich habe es akzeptiert und es macht mich einzigartig. Auch bei größeren Schnittwunden hatte ich bis jetzt keine Probleme. Das Selbstmessen klappt problemlos und ich esse was ich möchte. Vorallem aber viel Salat und Gemüse. 

 

So das wars erst mal von mir. :)

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Wow, das ist ganz schön krass, was da alles auf Dich eingeprasselt ist. Es freut mich, das Du alles überstanden hast und wünsche Dir noch viele schöne Jahre mit Deiner Frau und Deinem Kind.

Danke, das Du Deine Geschichte aufgeschrieben hast. Ich finde, es kann anderen Mut machen. 

LG Darla,

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Hallo Christian,

 

das ist schon eine heftige Geschichte ! Umso schöner zu lesen, daß du diese Zeilen am Strand von Kos schreibst ! Das ist doch wirklich ein Traum, wenn man all das mitgemacht hat, oder ? Ich freue mich für dich mit und sage Danke, daß du deine Geschichte mit uns teilst.

 

Viele Grüße und das Allerbeste

 

Michael

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Danke für die schönen Worte. 

 

Es ist natürlich auch nicht alles eitel Sonnenschein. Durch das Conduit und der Halsschlagader die etwas ans Schlüsselbein schlägt, nehme ich jeden Schlag war. 

 

Leider habe ich relativ oft Extrasystolen, meist wenn ich aufgeregt bin oder z. B. viele Menschen um mich habe. Manchmal fallen diese auch ziemlich heftig aus und werden dann mit einem Double oder Triplet (Doppel- und Dreifachschlag) beendet. Das löst in mir schon manchmal leichte Panik aus, was es ja auch eher schlimmer macht. Ich versuche dann immer möglichst schnell mich zu beruhigen. Meine Frau weiß dann meistens schon was los ist. 

 

Weiterhin habe ich auch oft mit Schwindel zu kämpfen. Der meistesn so schnell wieder geht wie er kommt. Am heftigsten empfehle ich dabei das ich manchmal ein Doppelsehen habe. 

 

Und natürlich ist immer die Angst im Hintergrund, daß die Takayasu wieder ausbrechen kann. Deswegen gehe ich alle 4 Wochen zur Blutabnahme um CRP Blutsenkung und andere wichtige Werte zu kontrollieren. Ich muss mind. 1mal im Jahr zum Gefäßdoc und zum Kardiologen + meine ambulanten Aufenthalte in Jena in der Rheumatologie alle 3 Monate. Da kommt schon ganz schön was zusammen mit meinen 33 Jahren. 

 

Dennoch muss man einfach dafür kämpfen das die Lebensqualität erhalten bleibt und sich darüber freuen was medizinisch Heute schon alles möglich ist. 

 

Dafür bin ich dankbar. 

bearbeitet von LightEmUp
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Das Doppelsehen und der Schwindel lässt mit der Zeit nach. Ich habe vor lauter Angst davor vor Sitzungen immer Vomex genommen.

Ich habe das erste halbe Jahr meinen Puls durch  reines "Hören im Ohr" mitsamt Extraschlägen messen können (ich habe auch ein Conduit). Mein Herz schlug sehr "laut und mechanisch". Das viel auch den Ärzten auf, obwohl die Klappe rekonstruiert wurde. Auch das hat sich gegeben.

 

Dadurch das man jetzt um Vaskulopathie weiss, kann man frühzeitig gegensteuern. Vielleicht beruhigt dich saß etwas.

 

Ganz liebe Grüße 

und genieße die Zeit mit deiner Tochter. Kinder werden soooooooo schnell gross. Und knuddel deine Frau, denn die hat ganz schön was mitgemacht und als Ehepartner hält man oft die eigenen Bedürfnisse im Hintergrund, wenn es den Partner so erwischt hat.

 

Liebe Grüße 

Brigitte 

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Hi Christian,

 

schön, dass du die Geschichte aufgeschrieben hast und schön, dass du das alles gemeistert hast und positiv geblieben bist! Die Lebenseinstellung ist einer der wichtigsten Eckpfeiler für die gesamte Genesung aber auch das weitere Leben, denn auch der Kopf muss einiges verarbeiten.

 

VG, Malte

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  • 1 month later...

Toller Bericht, Chris. Hab ihn erst jetzt gefunden. Danke dafür.

Der Markus.

P.S.: Was arbeitest Du, wenn ich fragen darf?

 

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Danke. Letzten Samstag hatte ich 1. Klappen Geburtstag :D. Ich hoffe einfach das alles so bleibt wie es jetzt ist. Mit etwas Schwindel und ein paar Extrasystholen kann ich gut leben. Langsam kommt auch ein bisschen die Unbeschwertheit zurück. 

 

Ich arbeite als Konstrukteur für Sondermaschinen - und Anlagen im Bereich Flüssig- und Sprühbeschichtung für ein mittelständisches Unternehmen. 

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