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Angeborene Herzfehler - Wenn es plötzlich wieder akut wird


Gast Rosalie

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Hallo, ihr alle.

Ich bin neu hier, auch wenn ich mich in den letzten Tagen intensiv durch dieses Forum gelesen habe.

Hoffentlich ist es okay, ein neues Thema aufzumachen. Ich habe mich wegen der Komplexität und der doch spezifischen Folgen dafür entschieden.

Wie soll ich anfangen? Sieht noch leicht chaotisch aus, in mir. Daher entschuldige ich mich, sollte mein Text etwas konfus anmuten, aber ich brauche momentan einfach den Kontakt zu Menschen, die meine Gefühle nachvollziehen können.

Ich wurde mit 5 Jahren an einem angeborenen Herzfehler operiert. Von jährlichen Kontrollen bis zur Teenagerzeit abgesehen, hatte ich dann meine Ruhe. Und habe verdrängt.

Natürlich wusste ich ganz hinten im Kopf, dass da irgendwann einmal etwas nachkommen kann. Natürlich hat mich die Endokarditis-Prophylaxe daran erinnert, dass da was war.

Natürlich bekam jeder Arzt große Öhrchen, wenn er mal mein Systolikum horchen durfte.

Aber von den psychischen Schäden abgesehen konnte ich das Türchen „Herzfehler“ sehr lange abschließen und den Schlüssel wegwerfen.

Nicht, dass das Leben nicht andere Hürden und Katastrophen bereitgehalten hätte – aber wer kennt das nicht…

Seit einer knappen Woche weiß ich, dass die Zeit des Verdrängens vorbei ist. Eine neue Pulmonalklappe ist fällig, neben einigen anderen „Kleinteilreparaturen“ in dieser Gegend.

 

Natürlich hab ich gemerkt, dass etwas nicht mit mir stimmt. Die Kurzatmigkeit, gegen die die Asthma-Medis immer weniger halfen, die Sterne vor den Augen, die permanenten Kopfschmerzen, die ewige Müdigkeit, die Herzrhythmusstörungen, die mich im letzten halben Jahr immer wieder in die Notaufnahme führten (natürlich waren sie dann jedes Mal weg und ich fühlte mich mit dem 1a EKG am Monitor beinahe schuldig), der Druck in der Leber, die Kaltschweißigkeit – irgendwie war das nicht gut und ich hatte kein gutes Gefühl mehr.

 

Da aber die Laborwerte immer o.B. waren und das EKG nur die bereits bekannte Rechtsherz-Geschichte zeigte, dachte ich, dass ich mir alles einbilde und wieder an einer handfesten Depression arbeite (begleitet mich seit der OP in meiner Kindheit).

 

Nun wurde ich also aufgenommen und von A bis Z untersucht. Und das Ergebnis lässt mich irgendwie total zerrissen zurück. Einerseits ist es schon ein kleiner Triumph (kennen vielleicht diejenigen unter euch, die selbst mit der Psyche zu kämpfen haben), dass jede Veränderung, die ich an meinem Körper wahrgenommen habe, einem realen Befund entspricht.

Andererseits bin ich einfach komplett resigniert. Ich weiß, dass ich jetzt gerade noch die Chance habe, ohne bleibende Folgeschäden davon zu kommen, wenn ich meinem Herz nur die Möglichkeit gebe, unter vernünftigen hämodynamischen Bedingungen zu pumpen.

Trotzdem. Irgendwie ist es eins zuviel. Der berühmte Tropfen…

 

Die Depressionen, die ich bei meiner ersten OP davongetragen habe, begleiten mich bis heute und haben mich als Person geprägt. Das Einzige (außer einer zugegeben sehr tröstlichen Nahtoderfahrung), woran ich mich erinnere, als wäre es gestern gewesen, ist der Schmerz. Schmerz und Ausgeliefertsein. Ich hasste meinen Körper, war nie in einem Freibad – außer mit Rollkragen -, trug die kürzesten Röcke und Tops, aber nie ausgeschnitten (Kinder können einfach sehr gemein sein) und habe mich selbst konsequent als wertlos empfunden.

 

Mit viel Hilfe und Unterstützung habe ich mich vor ein paar Jahren endlich gefangen, begonnen, normale Kleidung zu tragen und mich mit mir ausgesöhnt.

Und jetzt geht das alles wieder von vorn los. Ich bin restlos bedient!

 

Natürlich habe ich die gleichen Sorgen und Ängste vor der Operation wie wohl jeder andere auch. Aber am meisten schreckt es mich ab, das alles noch einmal durchkämpfen zu müssen. Irgendwie ist mir die Kraft abhanden gekommen und der Kampfgeist. Anderen gelte ich als starke, lebensbejahende Person, an der sich jeder anlehnen kann.

Aber ich kann einfach irgendwie nicht mehr.

 

Daher hier meine Frage/Bitte: sind unter euch Leute mit angeborenen Herzfehlern, die – nach einer OP in der Kindheit – vor derselben Problematik standen? Wie hat sie sich für euch gelöst?

Und wie lebt es sich nach einem Pulmonalklappenersatz/Aufdehnung einer Pulmonalstenose?

 

Ich habe mir schon therapeutische Hilfe gesucht. Nur kann eben auch der beste Therapeut nicht nachempfinden, was sich in einem Betroffenen abspielt. Und ich weiß auch, dass viele Kinder mit meiner Diagnose mehrere Operationen durchstehen müssen, bevor sie das Erwachsenenalter erreichen. Daher jammere ich vielleicht auf hohem Niveau.

Trotzdem bin ich dankbar für jeden, der seine Erfahrungen mit mir teilt. Liebe Grüße!

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Hallo Rosalie!

 

Ich habe auch einen angeborenen Herzfehler - Aortenisthmusstenose und Aortenstenose mit bikuspider Aortenklappe. Ich wurde das erste Mal mit 14 Monaten und das zweite Mal mit 3 Jahren operiert. Dann hatte ich ähnlich wie du, mehrere Jahre Ruhe. Natürlich standen die jährlichen Kontrollen an, aber das war es dann auch schon.

 

Es ging mir dann auch gut, ich wurde erwachsen, heiratete und bekam meine Tochter.

2002 dann ging es so langsam wieder los... der Aortenbogen war zu 95 % verengt und musste mit einem Stent erweitert werden. War nicht schlimm, nach einem Katheter ist man ja schnell wieder fit. Allerdings wurde mir damals schon gesagt, dass ich mich darauf einstellen kann, dass ich irgendwann eine künstliche Aortenklappe bekomme.

 

2014 war es dann soweit. Meine dritte große OP am offenen Herz stand bevor. Ich hatte natürlich riesige Angst, aber auch das ging alles gut. Nun habe ich eine mechanische Aortenklappe und komme inzwischen recht gut damit klar und führe ein ganz normales Leben.

 

Allerdings kann ich dir bei deinen Fragen hinsichtlich einer Depression nicht weiter helfen. Ich habe, auch als Kind, nie schlechte Erfahrungen hinsichtlich meiner Narben gehabt. Da ich bei meiner zweiten OP auch erst drei Jahre war und mich nur noch ganz wenig daran erinnern kann, kannte ich selbst meinen Körper gar nicht ohne diese Narben. Ich registrierte die nicht als was ungewöhnliches. Sie gehörten einfach zu mir.

 

Darf ich fragen, wie alt du bist?

Wo bist du in Behandlung?

 

LG von Nadine

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Hallo Nadine, danke für deine Zeilen! Da hast du ja auch schon so einiges durchgemacht, als kleiner Wurm. Soviel ich weiß, würde man heute nicht mehr 5 Jahre mit einer OP warten, wie bei mir. Andererseits bin ich ohne nennenswerte Einschränkungen 36 Jahre lang „unbehelligt“ geblieben. Heute bin ich 41.

Es freut mich sehr für dich, dass du mental nicht unter den Folgen gelitten hast! Entweder ist da jeder Mensch anders, oder es liegt am Alter, oder am Elternkontakt. Ich habe keine Ahnung.

Aber ich wurde wegen anderer Dinge als Kind mehrfach stationär behandelt und es war immer das Gleiche: keine Eltern.

Meiner Meinung nach wird damit der eigentliche Schaden angerichtet, dass dir fremde Menschen weh tun können, ohne dass deine Familie für dich da sein kann.

Auch das läuft heute sicherlich anders.

Wirklich gelitten habe ich ja auch erst im Erwachsenenalter, als die üblichen Belastungen mit Beruf, Auszug von daheim, Beziehungen etc. dazukamen. Irgendwann konnte ich damit eben nicht mehr umgehen und ein einfühlsamer Therapeut hat nachgehakt.

 

Die Kindheit selbst fand ich durchaus glücklich. Und die Sache mit den Klamotten war sicherlich ein Teil Verdrängung. Für mich kam diese „Herzgeschichte“ einfach im Leben nicht mehr vor. Weshalb mich die Ekelausrufe anderer Kinder jedes Mal am Boden zerstörten.

Ich zog mich entsprechend an – und gut.

 

Was meinst du mit „recht gut damit klar“kommen? Fühlst du dich irgendwie besser als vor der OP? Leistungsfähiger? „Fertig“ mit den „Baustellen“? Immerhin haben sie dich ja auch ein Leben lang begleitet. Und in gewisser Hinsicht kannst du die Thematik ja schon „abhaken“, wenn man von den regelmäßigen Kontrollen und Dingen wie Antikoagulation absieht. Empfindest du das so?

 

Angst vor der OP… Eigentlich nicht so sehr. Ich bin jetzt an der Uniklinik in Hamburg in Behandlung und fühle mich da auch gut aufgehoben. Sie werden tun, was sie können. Vollnarkosen habe ich eigentlich immer gemocht (bis auf die Nachwirkungen) und ich denke, besser überwacht als in einem OP voller Spezialisten kann man auf der Welt nirgends sein.

Was natürlich keine Garantie ist. Aber irgendwie schreckt mich die OP nicht so sehr wie die Zeit danach. Auf die OP selbst habe ich ja keinen Einfluss.

Der „Weg zurück“ ins Leben ist es, vor dem mir so graut. Wieder bei Null anfangen, wieder da liegen wie ein nasser Lappen und kaum atmen können vor Schmerz, wieder alles neu lernen, wieder alles von vorn. Woche für Woche, Monat für Monat…

Mir kommt das gerade vor wie ein riesen Berg, den man wie Sisyphos hinauf kraxeln muss, immer das eigene Gewicht vor sich herschiebend. Und ich habe so meine Zweifel, ob es die ganze Arbeit lohnt. (Nochmal: ich weiß, es gibt keine Alternative und mir wird es in sehr kurzer Zeit sehr schlecht gehen, wenn ich jetzt kneife. Das ziehe ich auch nicht einmal in Erwägung.)

Ich habe nur einfach gerade keinerlei Motivation in mir, das Ganze noch einmal von vorn anzugehen…

 

Daher meine Frage, ob diejenigen, die es noch einmal auf sich genommen haben, es im Nachhinein als lohnenswert empfinden.

Einen schönen Abend für dich und Hut ab!

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Mein Herzfehler ist zwar nicht angeboren sondern ich habe ihn im Alter von fünf Jahren durch eine Endokarditis dank Gelenkrheumafiebers erworben. Eine Operation bzw. der Ersatz einer Herzklappe war damals noch nicht möglich. Ich erinnere mich noch genau, dass eine Ärztin zu meiner Mutter sagte: "Ihr Kind wird mal nicht alt." Ich stand dabei, manche Erwachsene halten kleine Kinder für ausgemachte Idioten. Der Satz hat mich mein ganzes Leben lang verfolgt. Mit 36 Jahren habe ich eine mech. Mitralklappe bekommen und buchstäblich die Engel im Himmel pfeifen hören, Nahtoderfahrungen vom Feinsten. Du bist die erste, die dieses Wort hier benutzt und vieles, was du schreibst, auch in einem anderen Posting, kann ich nur unterschreiben. Die Narbe, die ich seit 1995 habe, belastete mich lange Zeit sehr und auch heute versuche ich sie möglicht zu verdecken.

 

Gruß Reni

 

Dass meine Mutter nicht bei mir sein konnte als ich ein Kind war, fand ich sehr schlimm. Nur mittwochs und sonntags gab es "Besuchszeit". Meine Mutter hat sich oft durchgemogelt und wurde dann nach 5 min. von einer Ordensschwester raußgeschmissen. Diese vier Wochen meiner Kindheit vergesse ich mein Lebtag nicht.

bearbeitet von Reni
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Hallo!

Ich glaube auch, dass es damals ganz schlimm war, die Eltern so wenig mit einzubeziehen. Ich zum Beispiel wurde meiner Mutter sofort nach der Entbindung sozusagen weggenommen und wurde in ein anderes KH gebracht. Ziemlich weit weg von meinem Wohnort, zumindest für damalige Zeiten. Dort verbrachte ich dann die ersten acht Monate meines Lebens, meine Eltern durften mich nur durch eine Glasscheibe betrachten, da gibt es auch noch Fotos...ich auf dem Arm einer fremden Krankenschwester. Damals hat man wohl noch nix von Mutter-Kind-Bindung gehört, was sich leider dann auch nicht mehr so richtig entwickeln wollte...

 

Auf jeden Fall geht es mir jetzt viel besser als vor der OP. Aber leider war das nicht meine einzige Baustelle, die Mitralklappe ist auch nicht ganz in Ordnung und da gibt es dann auch immer noch die Aortenisthmusstenose, die eventuell auch noch nicht endgültig beseitigt ist. Allerdings hoffe ich einfach mal, dass es bis zu einer eventuell nächsten OP noch viele Jahre dauert.

 

Die Zeit nach der OP fand ich erstaunlicherweise gar nicht so schlimm. Schmerzen waren erträglich. Aufstehen musste ich schon am zweiten Tag und als meine Tochter mich am dritten Tag nach der OP besuchte, war ich schon fast die alte...naja, nicht ganz. Aber ich begrüßte sie schon im Flur. Mein Vater kam mich einen Tag später besuchen, der war ganz erstaunt, wie gut es mir schon geht. Der hatte nämlich nur ein Jahr vorher eine Bypass OP und war lange nicht so gut zu Fuss wie ich... Allerdings ist er auch 20 Jahre älter als ich

 

Alles in allem war ich wirklich erstaunt, dass ich diese Operation so gut weg gesteckt habe.

Nur das Geräusch der Klappe hat mich lange belastet. Auch jetzt noch manchmal, aber das bekomme ich auch noch hin!

 

Ich bin ein Mensch, der das Leben versucht, so zu nehmen , wie es kommt...mit allen Höhen und Tiefen. Über Dinge, die ich eh nicht ändern kann, versuche ich, mir keinen Kopf zu machen. Klappt nicht immer, aber immer öfter

 

Du hast in deinem Leben auch viel erlebt und auch erreicht. Du wirst auch diese Herausforderung meistern, da bin ich mir sicher. Wir Herzchen sind so stark, uns haut doch so schnell nichts um!

 

So, nun gute Nacht und einen angenehmen Wochenstart.

bearbeitet von Nadine77
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Hallo Reni,

vielen Dank für deine ehrlichen Worte. Ja, die Prophezeiungen der Experten… Meinen Eltern wurde gesagt, es sei alles bestens und ich hätte künftig keinerlei Einschränkungen zu erwarten. In deinem Fall war die Aussage natürlich noch fataler, weil der unüberlegte Satz sicherlich auch einiges in deiner Mutter zerstört hat. Und besser kann man eine kindliche Seele gar nicht kleinkriegen. Offensichtlich hast du aber darauf reagiert, indem du zum Kämpfer wurdest? Jetzt erst recht?

Trotzdem sind es diese kleinen, vermeintlich dummen Sätze, die irgendwo hängenbleiben und die man nie mehr vergisst. Zumindest bei mir ist es so. Egal, wer solche Sprüche wie „Fällst du dann mal tot um?“ oder „Hast du eigentlich ein Testament?“, loslässt. Ich kann es schlecht beschreiben, aber sie schleichen sich irgendwo ins Unterbewusstsein und kommen in den schwachen Momenten unangekündigt wieder nach oben. Und schon zweifelt man wieder…

 

Nun ja, ein anderes Wort als Nahtoderfahrung fällt mir dafür nicht ein. Ich habe es auch nie anders gesehen. Das meinte ich weiter oben mit dem „Blick hinter den Vorhang“. Ich kann alles noch immer bis ins Detail wiedergeben. Seitdem habe ich auch gar keine Angst mehr vor dem Tod an sich. Vielleicht mache ich mir deswegen so wenig Gedanken um die OP selbst. Der „Ärger“ ging ja erst hinterher los.

Und ich weiß noch, dass ich fuchsteufelswild war, als man mich aufweckte. Weil in dem Moment die Schmerzen kamen und man mich aus dieser wunderbaren Welt gerissen hatte. Die Ärzte haben meinen Eltern später erzählt, dass ich Wurm vor Zorn gekreischt habe, schwach wie ich war und unbedingt „weiter träumen“ wollte. ;-)

 

Die Narbe… Ehrlich gesagt, habe ich das Problem der Anderen lange nicht verstanden. Ich war doch ich? Warum riefen die alle „igitt“ und zeigten auf meine Narbe? Ich fand die Kinder einfach doof. Aber irgendwie hat da wohl steter Tropfen den Stein gehöhlt. Meine wirklichen Probleme mit dem Körper fingen mit der Pubertät an. Ab da nur Rollkragen. Ich habe mich schlau gemacht, wegen plastischer Korrektur, habe mit einem Übertätowieren geliebäugelt, versuchte Gels, Theaterschminke – alles.

 

Letztlich hat mein erster Freund versucht, mich zur Vernunft zu bringen. Er wollte mir endlich mal ein Freibad von innen zeigen. Ich kam mit einem schwarzen Rolli, von dem ich die Ärmel abgeschnitten hatte. Und saß dann so auf der Wiese – bei über 30°.

Dieses Mal war er es, der sauer wurde. Er schrie mich richtig an. Ich schreibe das hier, weil dir seine Worte vielleicht auch etwas geben können. Er sagte: „Verdammt, jeder Wikinger ist stolz auf seine Narben! Die haben sich am Feuer zu jeder einzelnen ihre Heldentaten aus ihren Kämpfen erzählt. Manche haben sich sogar selbst geschnitten, nur um mitreden zu können. Deine Narbe kommt von DEINEM Kampf. Du hast ihn gewonnen und kannst verdammt noch mal bitte endlich stolz darauf sein und jedem davon erzählen!“

Da war irgendwie der Bann gebrochen. Nicht, dass ich tiefe Ausschnitte getragen hätte (die Rollis waren ohnehin inzwischen mein Markenzeichen) oder meinen Körper irgendwie mehr gemocht hätte. Aber ich habe mich nicht mehr für die Narbe selbst geschämt, weil ich in der Lage war, die Geschichte dahinter anzunehmen. Ach, ich kann es nicht gut beschreiben. Aber ich nehme an, du weißt, was ich meine. Von da an habe ich immer wieder registriert, dass andere weit weniger mit meiner Narbe fremdelten als ich. Wenn sie sie überhaupt sahen.

Bei vielem, was ich hier zum Thema Psyche bislang gelesen habe, blitzt das Gleiche durch: die Eigenwahrnehmung entfernt sich durch die Operation bei manchen Menschen wohl von dem Bild, das andere von uns haben.

Übrigens habe ich von anderen Operationen andere Narben, die wesentlich schlechter ausschauen. Die haben mich nur irgendwie nie gestört. Komisch, oder?

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Bingo, Nadine… Bei mir passierte das Gleiche. Zwar waren es nur 4 Wochen hinter Glas und in fremder Hand – aber es hat auch gereicht. Keine Ahnung, wie es bei dir ist. Mir hat mein Therapeut erklärt (und ich finde es logisch), dass ja jedes Lebewesen einen Selbsterhaltungstrieb hat. Und wenn es spürt, dass die Bezugspersonen nicht da sind, dass man also mit ihnen nicht rechnen kann, hört es auf, darauf zu warten und löst seine Probleme allein.

Ich mache bis heute die meisten wirklich wichtigen Dinge mit mir selbst aus und vor dieser OP jetzt ist es das erste Mal in meinem Leben, dass ich von mir aus Hilfe von außen suche. Offensichtlich lerne selbst ich dazu…

Bei mir war es so, dass ich dadurch immer als sehr starke Person gesehen wurde, weil ich immer cool geblieben bin und in jeder Katastrophe handlungsfähig blieb und jedes Mal das Steuer in die Hand nahm, wenn andere nicht weiter wussten. In mir sah es anders aus. Das Problem beginnt ja erst da, wo du mit zu vielen Dingen auf einmal oder mit zu schweren Dingen konfrontiert wirst. Dann bricht das Kartenhaus zusammen – wie bei mir geschehen. Dieses Gefühl, allein nicht mehr weiter zu wissen, war das Schlimmste, das ich je erlebt habe. Das hat mich noch einmal in den Grundfesten erschüttert.

 

Heute versuche ich zu akzeptieren, dass man auch gar nicht alles allein können MUSS. Trotzdem widerstrebt es immer noch meinem tiefsten Instinkt, um Hilfe zu fragen.

Ich gebe dir Recht: wir Herzchen sind stark. Wir durften uns aber auch nicht zu häufig Schwäche erlauben. Vielleicht hat Reni ja ähnliche Erfahrungen gemacht.

 

Dass die OP bei dir so gut verlaufen ist, macht mir viel Mut. Danke für diese Worte! Damals lag ich 8 Wochen im Krankenhaus und ehe ich wieder einigermaßen ich selber war, vergingen Jahre. Es heißt, man vergisst das Schlechte und erinnert sich eher an die guten Dinge. Bei mir hat es in der Beziehung leider nicht funktioniert. Der Kopf weiß, dass die Technik aus den 70er/80ern mit dem heutigen Stand nichts mehr zu tun hat. Der Bauch wehrt sich mit Händen und Füßen gegen die Neuauflage.

 

Noch eine Gemeinsamkeit gibt es bei uns beiden: ich hab das Leben auch immer auf mich zukommen lassen und nie versucht, irgendetwas zu erzwingen. Diese Gelassenheit ist mir erst vor ein paar Jahren abhanden gekommen. Schlecht gefahren bin ich mit ihr nie.

 

Vielen Dank dir noch einmal und auch dir, Reni! Gute Nacht euch und einen guten Wochenstart.

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Rosalie - ich wollte mich zu dem Thema Operation melden.

 

Ich hatte meine Aortenklappenoperation am 28 Juli - also vor nicht allzu langer Zeit. Ich hatte natürlich die gleichen Sorgen und Bedenken wie Du - bin aber wirklich überrascht wie unbegründet diese bislang waren. Ich denke das Operationstechniken, Medizingeräte, Medikamente und Pflegestrategien sich drastisch gewandelt und verbessert haben. Ich war am ersten Tag nach der OP auf den Beinen und konnte meine Runden auf der Station drehen. In Sachen Schmerzen musste ich nicht leiden und habe seit dem zweiten Tag nur noch nicht verschreibungspflichtige Schmerzmittel benötigt und bin jetzt auf 3-5 Kopfschmerztabletten pro Tag runter. Ich war 5 Tage im Krankenhaus und kann jetzt zu hause mich frei bewegen und ausgedehnte mehrstündige Spaziergänge machen. Was ich so gelesen habe ist das typisch und ich denke Du wirst das in Hamburg genauso erleben. Ich bin 58 Jahre alt und möchte Dir (und anderen) Mut machen.

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:D kurze Anmerkung. Meine Nachbarin sagte mal: "An deiner Stelle hätte ich Angst, dass die Herzklappe stehen bleibt. dann fällst du tot um." Sowas kann man vielleicht denken. Ich hab nur gesagt: "Wenn deine stehen bleibt, fällst du aber genau so tot um."

 

Gruß Reni

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Hallo JuLiOr und Reni, vielen Dank!

JuLiOr, ich freue mich für dich, dass du so schnell wieder auf die Beine gekommen bist! Alles alles Gute weiterhin für die Erholungsphase! Das macht mir wirklich Mut. Klar, es hat sich viel geändert, inklusive Narkose und HLM-Weiterentwicklung. Der Kopf weiß es. Trotzdem spielt er immer wieder den alten Film von damals ab... Da ich aber zu der ungeduldigen Sorte Mensch gehöre, die ein Problem gern anpacken, lösen und abheften, nehme ich mal an, es wird mich auch nicht eine Stunde länger im Bett halten als unbedingt notwendig. ;-)

 

Bist du denn schon in der Reha?

 

Reni: gute Antwort! Hinzufügen könnte man noch (so du eine mechanische Klappe hast) beim nächsten blöden Spruch: Also meine hat ihr Verfallsdatum in 150-300 Jahren, wie sieht's bei dir aus? :D

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Rosalie,

 

Ich habe morgen ein Meeting mit meinem Hausarzt und werde ihn über Sinn der Reha befragen. Ich bin mir nicht sicher ob ich das überhaupt brauche - ich plane eigentlich nächste Woche wieder zurück zu Arbeit zu gehen wenn nichts dazwischen kommt. Einziges Manko ist das ich noch ein paar Wochen nicht Auto und Fahrrad fahren darf.

 

So wie du dich beschreibst bin ich sicher das Du bald wieder auf den Beinen bist.

 

Jürgen

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Hallo Jürgen,

Danke! Klopfen wir auf Holz...

Naja, ich bin eigentlich auch kein großer Reha-Fan. Die Reha ist dazu da, schrittweise und kontrolliert wieder eine Belastung aufzubauen.

Normalerweise weißt du hinterher genau, wo du stehst und was du deinem Körper zumuten kannst. Das gibt Sicherheit für den Alltag.

Im Fall einer Klappen-OP oder ähnlichem finde ich das ganz sinnvoll. Weil die Meisten vorher ja schon mit Einschränkungen gelebt haben und jetzt langsam wieder Vertrauen in die eigenen Kräfte gewinnen (so zumindest der Plan).

Lass dich ruhig beraten. Es gibt ja auch ambulante oder tagesklinische Reha-Möglichkeiten. Mann muss nicht stationär irgendwohin. Ob in deinem Fall die paar Wochen mehr Geduld nicht doch eine gute Investition in die nächsten Jahrzehnte sind, kann dir sicher sein Hausarzt sagen. Der kennt dich ja gut.

Ich drücke dir in jedem Fall die Daumen, dass du dich weiter so fit fühlst und wenn du wieder voll einsteigen möchtest, dann ist das doch ein Zeichen, dass dein Körper sich super erholt. Sonst kämst du nicht mal auf den Gedanken.

Ich wünsch dir ein gutes Gespräch mit dem Doc!

LG Rosalie

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